Von @Jaensn

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Kurz vor dem Ende des Abendsterns, während sich die Bewohner von Elsweyr auf das ‘Festival des alten und neuen Lebens’ vorbereiteten, verließ der König von Senchal – der zu dieser Zeit der König von ganz Elsweyr war – seinen Palast für einen abendlichen Spaziergang. Der König seinerseits war ein schroffer und unfreundlicher Khajiit, stinkend und fett, mit einer weißen, langen Mähne, die sein halbes Gesicht verdeckte. Unter dieser Haarpracht war ein ständiges Stirnrunzeln zu sehen, denn er hasste diese Jahreszeit. Er hasste den Rummel, die Feierlichkeiten und die Fröhlichkeit, aber vor allen Dingen verabscheute er die Kinder, denn deren ständiges Lachen, Spielen und Umherrennen waren ihm ein Dorn im Auge.

Die Khajiit von Senchal wussten dies sehr gut und bläuten ihren Jungen ein, sie sollten sich vom König fernhalten, wenn dieser spazieren ging, doch – wie es sich mit kleinen Katzen oft verhält – die Ratschläge der Ältesten wurden gerne mal ignoriert. Das bekam auch der König mit und während seines Spazierganges traf er auf viele von ihnen. Was er hörte, ließ die Falten auf seiner Stirn nur noch tiefer werden. Gelächter! Gesang! Musik! Und natürlich waren es die Kinder, die für dieses alberne Treiben verantwortlich waren. Es machte ihn wütend. Ihm war klar, dass dieser Schabernack mit den anstehenden Festivitäten nur noch schlimmer werden würde und er wusste, dass er etwas dagegen unternehmen musste.

So kam es, dass schon am nächsten Tag alle Bürger aus Elsweyr per Kurier vom neuen Befehl des Königs erfuhren: Alle Khajiit unter 15 Jahren dürfen nicht an den Feierlichkeiten des alten und neuen Lebens teilnehmen! Das Festival war immer der Höhepunkt des Jahres gewesen, voll mit Spielen und vielen Aktivitäten für die Kinder, weswegen diese von der Nachricht zutiefst betroffen waren. Sie riefen ihre Eltern dazu an, sie trotzdem gehen zu lassen, aber diese wussten, dass sie das Gesetz des Königs nicht einfach missachten konnten. Doch die Kinder weinten und schluchzten und jammerten so lange, bis ihre Eltern keine andere Wahl hatten – sie wandten sich an die Mähne, das spirituelle Oberhaupt Elsweyrs.

Die Mähne staubte ihre Bücher ab und las sie dreifach durch, auf der Suche nach einem Schlupfloch gegen das Gesetz, doch die Seiten betrogen sie ein ums andere Mal. Sie konnte den Befehl nicht überstimmen, solange die Mondphase von Jone und Jode zu Gunsten des Königs stand. Nur, wenn dies nicht mehr der Fall wäre, gäbe es die Möglichkeit eines Vetos, doch dann wäre es zu spät, denn das Festival wäre zu dieser Zeit schon längst vorbei. Sie warf die Bücher zu Boden und zog aus, ihrem Volk trotzdem irgendwie zu helfen. Zur Lösung dieses Problems musste ein Weg außerhalb des Gesetzes beschritten werden. Sie brauchte die Hilfe von jemandem, der fähig war, das Gesetz zu brechen, und es war für sie offensichtlich, wer dazu in Frage kam.

Die Mähne suchte nach dem berüchtigten Rajhin-dar, der in allen Provinzen Tamriels für jedes nur mögliche Verbrechen im Zusammenhang mit Diebstahl gesucht wurde. Sie wusste, dass Rajhin-dar nicht gefunden werden würde, wenn er dies nicht wollte, und so wanderte die Mähne allein, ohne ihre Leibgarde, in jenes Tal, von dem man sagte, dass Rajhin-dar eine Höhle darin bewohnte. Halb hatte sie das Tal schon durchschritten, als Rajhin-dar wie aus dem Nichts auf einmal vor ihr stand.

 

„Die Mähne schreitet allein im Tal von Rajhin-dar? Etwas Aufregendes muss vor sich gehen. Mit welchem Anliegen tritt die Mähne vor diesen?”

“Der König von Senchal hat den Kindern Elsweyrs verboten, an den Feierlichkeiten des alten und neuen Lebens teilzunehmen. Diese fordert euch auf, den Befehl des Königs mit allen Mitteln zu ändern. Als Belohnung werdet ihr in Elsweyr für all eure Verbrechen von der Mähne begnadigt werden.”

Rajhin-dar dachte einen Moment nach und erklärte sich bereit, zu helfen – obwohl er wusste, dass eine Begnadigung fast sinnlos wäre, denn er würde niemals aufhören, ein Dieb zu sein. Er reiste unentdeckt nach Senchal, schlich im Schatten des Abends an den Wachen des Palastes vorbei und näherte sich dem König mit einer Ruhe, als wäre er auf eine Tasse Mondzucker-Tee eingeladen.

“Warum nutzt der König seine Macht, um den Kindern die Freude zu verbieten?” fragte er und fuhr fort: “Sie werden dich dafür hassen. Du wirst einsam alt und grau werden und deine Entscheidung zeitlebens bereuen. Ändere deine Meinung, solange die Kleinen dir noch wohl gesonnen sind!”

“Die Kinder sind verdorben” schnaubte der König. “Sie kümmern sich um nichts Wichtiges und sie respektieren die Wünsche ihrer Ältesten nicht. Deshalb wird der König sie auch nicht respektieren.”

„Aus Kindern werden Erwachsene, nicht wahr? Zumindest aus einigen. Werden sie dich ehren, wenn die Zeit vergeht und sie sich daran erinnern, dass der alte, gemeine König ihnen in ihrer kostbaren Jugend den Spaß versagte?”

“Während die Mondphase den König begünstigt, muss dieser niemandem Rechenschaft ablegen. Schon gar nicht einem diebischen Abschaum, wie du es bist! Wachen!” rief der König. Doch Rajhin-dar war schon verschwunden, bevor die Worte im Thronsaal verklungen waren.

Eine Suche nach ihm verlief natürlich erfolglos, obwohl er währenddessen in den Gemächern des Palastes umher schlich, auf der Suche nach Inspiration. Darin, sich unentdeckt fortzubewegen, machte einem Meisterdieb des Kalibers eines Rajhin-dar niemand etwas vor.

Auf seinem Streifzug stieß er auf ein Gewölbe, in dem er zahlreiche Spielsachen fand. Der König musste sie im Laufe der Jahre von den Kindern konfisziert haben. Und just im Halbschatten dieses verlassenen Kellers kam ihm die funkelnde Idee, wie er den sturen Geist des Königs umstimmen würde. Er sammelte die Spielsachen ein, warf sie in den riesigen Sack – den hatte er für Anlässe dieser Art immer dabei – und schleppte diesen im Dunkel der Nacht über den Hof zur Kutsche des Königs. Außer Atem wegen des beachtlichen Gewichtes, wuchtete er seine Beute auf das Gefährt. Verstohlen huschte er anschließend zurück in den Palast – in die Schlafgemächer des Königs – und stibitzte dort dessen Kleider. Auch ein großes, weiches Kissen fand seinen Weg nach draußen.

Nachdem Rajhin-dar das Tor zum Ausgang hinter dem königlichen Anwesen geknackt hatte, sauste er auch schon mit der Kutsche dahin. Vier kräftige Senche-Tiger zogen das Gespann schnell außer Sichtweite des Palastes. Er stoppte und verkleidete sich mit den Gewändern des Königs, stopfte sich das Kissen unter das Hemd und war, nachdem er seine Mähne mit Mondzucker-Pulver weiß eingepudert hatte, auf den ersten Blick nicht mehr vom echten König zu unterscheiden. Er war ein Meister darin, die Erscheinung anderer anzunehmen. Ein Talent, das ihm in seiner Karriere schon oft zum Vorteil gereicht hatte.

So kam es, dass Rajhin-dar in dieser Nacht des 24. Abendsterns in jedes Haus in Senchal einbrach. Durch Kamine kletterte er, Schlösser überlistete er, Türen entriegelte er und durch Fenster stieg er ein. In jedem Haus, das ein Kind beherbergte, hinterließ er eines der Spielzeuge aus dem Sack und unterwegs machte er ab und zu auf sich aufmerksam, um von den Kindern entdeckt zu werden.

Als die Nacht dem Morgengrauen wich, kehrte Rajhin-dar zum Palast zurück, legte die Kleider des Königs zurück an ihren Platz, bevor dieser erwachte, und wies einen Diener darauf hin, dass es im Spielzeug-Gewölbe wohl einen Einbruch gegeben hatte.

In der Stunde darauf versammelte sich eine Menge Khajiits, bestehend aus empörten Eltern und glücklichen Kindern, vor dem Palast. Der König trat vor die Tore – unlängst von seiner Dienerschaft über den Diebstahl informiert – und polterte in die Menge: “Wer ist hier für all die Machenschaften der letzen Nacht verantwortlich?” während er mit erhobener Faust in der Luft wedelte. Rajhin-dar hatte sich derweil in der Menge verborgen und antwortete nun mit verstellter Stimme “Sei nicht so bescheiden, König – du weißt, dass du es warst! Du wurdest von den Kindern gesehen! Danke, dass du ihnen so viele Spielsachen geschenkt hast!”

Und bevor der König reagieren konnte, drängten sich alle Kinder um ihn, jubelten und drückten ihn innig. Da ging dem König das Herz auf und auch den Eltern, waren sie doch von so vielen kleinen,  strahlenden Gesichtern umgeben. Die Menge hob ihn hoch in die Luft und trug ihn wie eine Sänfte. So verspürte der König von Senchal zum ersten mal ein Glücksgefühl und konnte sich gar nicht mehr erklären, worauf er eigentlich wütend gewesen war. Anstelle des Verbots erließ er im Anschluss die Verordnung, dass von nun an jeder Jahrestag dieser denkwürdigen Nacht des 24. Abendsterns im Zeichen des Schenkens stehen solle.

Noch viele Jahre nach dem Tod des Königs wurde den Kindern die Geschichte erzählt, wie der König mit seiner weißen Mähne auf seiner Senche-Tiger-Kutsche durch die Straßen von Senchal sauste und jedem Kind ein Geschenk brachte. Und die Tradition der Geschenke wird bis heute fortgesetzt.

Ende.

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